Jul 21, 2020
Darf ich direkt zum Punkt kommen? Ist das Grundsätzlich interessant für Sie? Aha, schwierig, interessant, Was geht denn noch am Preis? Können Sie am Preis noch was machen? – Heute greife ich mal ein Thema auf, welches oft kontrovers betrachtet wird – der Gebrauch von „Phrasen“ – den gibt es schließlich auch in Verhandlungen. Sinnvoll oder nicht – meine Sichtweise dazu gibt’s heute, und zwar in dieser Episode des PRM Podcast „Besser verhandeln“
Hi und herzlich willkommen. Ich bin Andreas Schrader und Du kannst hier von meinen Erfahrungswerten aus über 15 Jahren Verhandlungen im internationalen Umfeld profitieren. Das bestätigen meine Kunden auf ProvenExpert, meine Hörer bei itunes sowie Kunden und ehemalige Kollegen auf LinkedIn. Schau also ruhig mal rein 😉
Gerade in der letzten Zeit bekomme ich bei LinkedIN – also auf der Plattform, die ich mit Abstand am häufigsten nutze, wieder vermehrt Nachrichten von den sog. Sales-Pfosten. Vielleicht geht es dir da ja ganz ähnlich? Einige meiner Netzwerkkontakte publizieren diese mittlerweile sogar um, naja, sagen wir mal „davor zu warnen“.
Plattformübergreifend (ein geiles Wort, oder?) ist man sich einig, dass diese Sales-Pfosten nerven und in meiner Wahrnehmung werden die meisten dieser Sales-Pfosten anhand der genutzten Worte in ihren Nachrichten identifiziert. „Ich habe ihr Profil gecheckt/angeschaut und finde das sehr interessant…“ „Haben Sie noch Kapazitäten für Neukunden frei?“ „Wir können dabei helfen in der Woche 3-5 qualifizierte Kundenanfragen voll automatisiert zu generieren“ – und dann der aktuelle Liebling „Ist das GRUNDSÄTZLICH interessant für Sie?“ Dann folgt im schlimmsten Fall noch ein Aufruf, ein „kostenloses Strategie-Gespräch“ zu vereinbaren oder gar – sich drauf zu bewerben, denn der oder DIE Gute arbeitet ja NUR mit denen, die es auch Wert sind – und natürlich ist die Zeit knapp. Der Tag hat ja nur 24 Stunden. Obwohl mir ein Leutnant beim Bund mal gesagt hat, dass ich ja, wenn mir das nicht reichen würde, gerne noch die Nacht dazu nehmen könnte… Naja – lange Rede, kurzer Sinn: Es sind die Worte, die der Absender genutzt hat, die Ihn direkt Disqualifizieren. Diese hat er hoffentlich aus irgendeinem Freebie, und nicht, weil er auf einen dieser „Fake-Gurus“, wie die auch gerne genannt werden – reingefallen ist. Und die Idee, die dahinter steckt, ist in meinen Augen sogar eine Gute – professionelle. Denn gegen einen strukturierten Prozess incl. eines guten Gesprächsleitfaden spricht erstmal wenig.
Als ich 2001 meine Lehre als Bürokaufmann begann, habe ich Verhandlungen eher dem Gerichtssaal zugeordnet. Da ich allerdings auch Material für die Baustellen eingekauft habe, war ich schneller in Lieferantenverhandlungen verwickelt, als ich es geahnt habe. Der Kollege, der mich „unter seine Fittiche“ nehmen sollte, wie es damals so angekündigt wurde, hat das Unternehmen allerdings knapp 4 Monate nach meinem Start verlassen. Die erste Zeit hatte ich oft Gesellschaft vom Senior-Chef – Gott hab ihn Seelig. Elektromeister – Baujahr 1929. Dank ihm kann ich mit fug und recht behaupten, dass ich weiß, wieso man „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ sagt. Büro hin oder her – ich war auf Baustellen und habe „schlitze gekloppt“ Waschmaschinen durch enge Kellertreppen getragen, Baustellen-Fahrzeuge und Werkzeuge mit der Hand gewaschen und Einfahrten gefegt. Im Büro hatte er seinen Schreibtisch direkt gegenüber von meinem.
Ein Telefonat, bei dem er mit gegenüber saß, werde ich nie vergessen. Ich rief einen unserer Lieferanten an und habe schnell ein paar Preise eingeholt. Das Telefonat dauerte keine 3 Minuten. Klemmen, Schellen Leerrohr, Kabel, Leerdosen incl. Deckel. Kurzfristige Lieferung direkt zur Baustelle. Nix wildes. Als ich den Hörer auflegte machte ich meine Notiz auf der Bestellung, die dann auf den entsprechenden Stapel kam.
Andreas – was hast Du da gerade gemacht?
Ähm – ich habe die Sachen für die Baustelle bestellt.
Ja, das hast du. Aber wieso so?
Naja – Telefon geht schneller als das Fax und wenn die noch vor 11h30 bescheid wissen, dann kann das morgen schon auf der Baustelle sein. Die Faxe gehen bei denen schon mal unter und ich bin’s dann nachher Schuld. Da rufe ich lieber an.
Ja, ok. – aber was kostet das jetzt?
Ungefähr 100 DM – das ist der normale Preis
Normale Preis? Hmm, wieso hast Du nicht gefragt?
Wonach?
Nach unserem Preis?
Ich schaute wie – nein nicht wie Boris Becker vorm Geldautomat, wie es jetzt bei Fussball MML heißen würde, sondern einfach nur äähm – naja, vielleicht doch – ich schaute wie Boris Becker vorm Geldautomat.
Beim nächsten Mal sagst Du bitte das! Du legst nicht vorher auf, bevor du das gesagt hast. IMMER!
Er legte mir einen kleinen Zettel hin, auf dem „Was können Sie noch am Preis machen? stand. Und als braver Lehrling, machte ich, was er gesagt hat.
Ich kann ihn heute leider nicht mehr fragen, ob er irgendwann mal ein Verhandlungstraining oder eine Einkäuferschulung besucht hat – oder ob er im Rahmen seiner Meister- oder Ausbildereignung gelernt hat, mit einem Leitfaden zu arbeiten. Nur ist das, was er mir damals hingelegt hat genau das, was wir heute als Teil eines Gesprächsleitfaden ansehen.
Ich habe im weiteren Verlauf meiner Karriere sehr viel unbewusst gelernt. Auch im Bereich der Kommunikation, was mir erst später bewusst wurde.
Englisch und Französisch sind die Sprachen, in denen ich mich neben Deutsch fließend verständigen kann. Niederländisch und Spanisch reichen für ein Schmunzeln im Gesicht meines Gegenübers und naja, ein paar Brocken Polnisch und Türkisch kriege ich auch noch so auf die Reihe.
Gerade in Fremdsprachen habe ich viel auswendig gelernt. „c’est la raison pour laquelle…“ ist da ein Paradebeispiel – das habe ich fast in jede Antwort, jeden Brief oder was auch immer ich in meiner Sprachausbildung vortragen musste, eingebaut. Und das so lange, bis es fließend war. Es nahm mir ein wenig Nervosität, wenn ich einen Satz mit „Et c’est la raison pour laquelle“ beginnen oder beenden konnte. Das sitzt so gut, dass ich damit das ganze Gestotterte dazwischen immer gut abrunden konnte.
Bei der Bundeswehr wurde auch auswendig gelernt „G-36 entladen und gesichert“. Und ich stelle jetzt mal eine Vermutung in den Raum: jeder, der noch mit einem Festnetz Telefon groß geworden ist, hatte einen typischen „Meldespruch“, wenn er den Hörer abnahm – oder heute noch, wenn er wo anruft.
Seit 2012 arbeite ich branchenübergreifend und international im Bereich der Weiterbildung und Beratung. Und es erklärt sich für mich von selbst, dass ich auch selbst in meine eigene Weiterbildung investiere. Meine „Einkäufer-Skills“ habe ich aus „weiterbildungssicht“ erstmal vernachlässigt (Naja, es war egal ob es nun Elektronische Komponenten, verschiedene Verbrauchsmaterialien oder Consulting oder IT-Dienstleistungen waren, die ich eingekauft habe – in diesen Fällen bin ich immer mit dem „Verhandlungsvokabular“ sowie mit „Was können Sie noch am Preis machen?“ sehr gut gefahren.
Im Sales hingegen wurde es da schon etwas schwieriger. In der Akquise hilft das Verhandlungsvokabular nicht so richtig weiter – also habe ich mich da weiter fortgebildet. Wenig überraschend wird auch dort sehr viel mit Gesprächsleitfäden gearbeitet. 2 Einstiegssätze, die für mich, mittlerweile zwar etwas abgeleitet, jedoch vom Sinn her unverändert, sehr gut funktionieren, sind:
Darf ich direkt zum Punkt kommen?
Was kann ich heute Gutes für Sie tun?
Den ersten Satz habe ich von Tim Taxis, den zweiten von Stephan Heinrich. Beides funktioniert gut in der Akquise am Telefon. Letzteres sogar beim Networking. Und das, obwohl es Sätze sind, die ich faktisch auswendig gelernt habe und geradezu runterbete.
Und es kam und kommt sehr häufig vor, dass gerade der „Tim Taxis Einstieg“ auch beim Gegenüber schon bekannt ist und somit einen Türöffner darstellt. Denn wenn „aah, da will mir jemand was verkaufen“ oder „auch bei Taxis gelernt“ als Reaktion auf diesen Einstieg kommen, dann hast Du eine Gemeinsamkeit mit deinem Gesprächspartner – und darauf lässt sich meistens was aufbauen.
In meinen Verhandlungen arbeite ich ebenfalls mit Phrasen – allerdings weniger, weil ich mich hingesetzt habe, und diese Auswendig gelernt habe, sondern vielmehr, weil ich über Jahre hinweg immer die gleichen Inhalte gehört, gelernt, eingetrichtert oder einfach aufgenommen habe. „Steter Tropfe höhlt den Stein“, sagte meine Opa immer. Die verschiedenen Wege, eine Zusammenfassung einzuleiten, die gesamte Rhetorik im Hinblick auf Forderungen sowie der taktische Abbruch sind so tief in meinem Sprachgebrauch verwurzelt, wie das Wörtchen „Jawohl“ in eben genau dieser Tonlage 😉
So wie man bei mir schnell raushören kann, dass ich eine militärische Vergangenheit habe, so kann es auch in Verhandlungen durchaus passieren, dass dein Gegenüber sich bzw. seine Ausbildung durch seine Sprache – oder Neudeutsch- sein Wording verrät. Sagt er z.B. Schwierig, Aha oder Interessant, wenn du eine Forderung oder eine Frage stellst, dann wird er mit einer hohen Wahrscheinlichkeit irgendwann mal viel Geld dafür bezahlt haben, schwierige Verhandlungen im Grenzbereich professionell führen zu können. Das ist positiv und Du kannst eine solche Information immer für dich nutzen. Je nachdem, wie deine Strategie aussieht, kannst Du das Aufdecken und deinen Gegenüber loben (In meinen Augen ist das lobenswert, denn mir gefällt es, wenn ich es mit Profis zu tun habe. Es zeigt, dass auch mein Gegenüber viel Wert auf eine professionelle Vorgehensweise legt und dieser Angelegenheit wichtig für ihn ist.) oder du behältst es erstmal für dich, um es später zu nutzen. It’s up to you
Es gibt allerdings zwei Sachen, die mich bei den ganzen Leitfäden und dem Auswendiglernen stören und diese können dir sowohl deine Reputation als auch den Deal zerstören
Ich ärgere mich über die verschwendete Zeit, wenn mir am Telefon jemand vollkommen emotionslos einen Spruch vorträgt oder dieser gar abliest. Diese Gespräche sind meist relativ schnell und mit dem Verweis auf Weiterbildungsmöglichkeiten beendet.
Ein Musiker stellt sich auch nicht auf die Bühne und denkt sich dort ein komplett neues Lied aus. Nein, er hat seine Texte verinnerlicht. Und das sollte jeder Verhandler auch haben. Sein Grundvokabular beherrschen! Und das wahre Entertainment bei einem Konzert geht doch erst dann so richtig los, wenn die Musiker etwas von ihrer Linie abweichen – ich finde Fettes Brot ist da ein sehr gutes Beispiel. Wobei es da sicherlich auch noch eine ganze Menge weiterer Beispiele gibt.
Worauf ich hinaus will, ist folgendes:
Wenn du in Verhandlungen, oder gerne auch in anderen Gesprächssituationen mit auswendig gelernten Inhalten kommst, dann versehe diese bitte immer mit deiner persönlichen Note bzw. bete sie nicht einfach emotionslos runter. Niemand mag in solchen Situationen ernsthaft mit einem Bot sprechen.
So - damit du jetzt, nachdem ich hier wieder mal einen knapp X Minütigen Monolog gehalten habe, nicht durcheinander kommst, gibt’s die wichtigsten Punkte jetzt noch mal kurz und knapp:
Auswendig lernen kann beim Lernen sehr hilfreich sein – das gilt für Sprachen ebenso wie für Verhandlungen
Worte / Phrasen können auf Gemeinsamkeiten oder besondere Ausbildungen hinweisen und so wertvolle Informationen liefern.
Auswendig gelernte Inhalte solltest Du so beherrschen, dass es niemandem auffällt, dass Du diese Auswendig gelernt hast.
Verknüpfe deinen eigenen Stil mit den auswendig gelernten Inhalten, passe diese ggfs. ein wenig an und nutze deine eigene Sprache – das wird dir sicherlich eher helfen, als stupides Runterbeten eines Leitfadens oder einzelner Sätze.
Und als kleiner Bonus natürlich noch eins: Aus- und Weiterbildung sind immer wichtig 😉
Und wenn Du in Zukunft sicherer und souveräner in deinen Verhandlungen auftreten magst, dann baue mindestens einen meiner Tipps in deine nächste Verhandlung ein und du wirst mit Sicherheit: BESSER VERHANDELN.
Sharing is caring – das kennst Du!
Also empfehle meinen Podcast bitte weiter und
bewerte ihn mit 5 Sternen bei itunes – den Link dazu findest Du ebenso in den Shownotes,
wie den Link zu meinem Audiobook – den Negotiation Matchplan.
Danke!
Bleib gesund und viel Erfolg bei deinen Verhandlungen
Links
Red Flags - Fake Gurus - Coffezilla Youtube
Audiobook „Negotiation Matchplan”
Homepage Andreas Schrader