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Dec 22, 2020

An einem regnerischem Abend im November 2019 saß ich mit, ich nenne ihn mal Chris, zusammen. Er hatte ein gutes Steakhouse ausgewählt – keine Kette, sondern einen kleines, uriges argentinisches Steakhouse in der Innenstadt. Das Fleisch war der Hammer und obwohl ich schon häufig in sehr guten Restaurants gegessen habe, hat mich diese Qualität nochmal zusätzlich überrascht, denn – auch wenn ich mich jetzt wiederhole - es war einfach der Hammer. Er hatte nicht zu viel versprochen, als er sagte, dass dieses Fleisch alles andere in den Schatten stellen werde – und das ganze drum herum war ebenfalls ein sehr gutes Ambiente. Dass wir uns dort getroffen haben, war übrigens Bestandteil eines Deals, den wir vereinbart hatten.

 

Erstes Sidelearning für Dich: Eine Einladung zum Essen kann zum einen „dazu gehören“ es kann jedoch auch eine Forderung sein – wichtig – wenn du im Angestelltenverhältnis bist: Achte darauf, dass es euren Compliance Richtlinien entspricht! Meine Forderung lautete hier in etwa „Einladung in das beste Steakhouse der Stadt – Lawyers Cut & Premium Drinks incl. Übernachtung“ und es war eine grüne Forderung 😉

 

Chris ist Partner bei – naja, ich umschreibe es mal als „Anbieter für Rechtsdienstleistungen“ und über seinen Tisch laufen verschiedene Angelegenheiten. Zu Beginn seiner Karriere war er meistens in M&A Deals eingebunden, später wurde er intern zu einer Art rechtlichem Key-Account, der einen großen Kunden rundum betreut. „Die waren mein Sprungbrett zur Partnerschaft“ sagt er noch heute darüber. Bevor er diesen Kunden gewonnen hatte, hat er einiges an Lehrgeld bezahlen dürfen. Einmal, als Chris mit einem anderen, namhaften Kunden in die ersten Gespräche einstieg, war neben Experten der Rechtsabteilung auch direkt ein Vertreter des Einkaufs des Kunden mit von der Partie.

 

  1. Side-Learning = das ist eine sehr professionelle Vorgehensweise, denn als Einkauf solltest Du darauf achten, so früh wie möglich in den Prozess eingebunden zu werden

und als Vertrieb bzw. als die Lieferanten-Seite (nur, damit sich auch die anderen angesprochen fühlen 😉) tust Du gut daran, den Einkauf direkt mit einzubinden. Wieso, erfährst Du u.a. in dem Interview mit Frank Poggendorff 😁

 

Zurück an den Tisch – auf der einen Seite sitzt Chris, maßgeschneiderter Anzug, sauber geschnittenes Haar, perfekt gebundene Krawatte – mit seinem Mont-Blanc macht er seine Notizen in seinem Cartier-Gebundenen Notizblock und seine Patek-Philippe glitzert an seinem Handgelenk.

Auf der anderen Seite sitzen 2 Männer in Anzügen von der Stange, die Haarschnitte lassen vermuten, dass es auch 2019 schon einen Lockdown gegeben hat und während der Experte seine Notizen in sein Tablet tippt, notiert sich der Einkäufer seine Punkte auf einem Block mit Firmenpapier, allerdings mit einem Werbe-Kulli, den er wohl bei einer Konferenz oder einem Workshop erhalten haben muss.

Der Experte und Chris tauschen sich gut aus und beide stellen rasch fest, dass sie offenbar vom gleichen Schlag sind – der Einkäufer schweigt die meiste Zeit. Nach knapp 25min meldet er sich dann zu Wort und was er sagt, trifft Chris bis ins Knochenmark:

 

„Ihr Angebot ist ja eigentlich ganz gut – aber wir erwarten natürlich einen fairen Preis.“

 

Was bei Chris ankommt ist

„Du bist unfair“

Sein Puls wird schneller – seine Hände schwitziger, denn dieser Vorwurf ist brutal für ihn.  

„Was denkt der Vogel eigentlich wer er ist?“ geht ihm durch den Kopf – auch wenn er weiß, dass er diesen Gedanken eigentlich gar nicht haben darf. Er ist trotzdem da. Und außerdem stimmt es ja auch – sagt zumindest seine innere Stimme.

 

Der Einkäufer starrt ihn schweigend an. Chris merkt, wie sein Mund trockener wird als es normalerweise der Fall ist – was daran liegt, dass er diesen leicht geöffnet hat.

 

„Dieser Preis ist absolut fair!“

 

Der Einkäufer runzelt seine Stirn und zieht eine Augenbraue hoch – er blickt Chris skeptisch an.

„Wissen Sie, ich habe gestern genau das gleiche Gespräch geführt – aber der Preis auf dem Angebot hat mir besser gefallen.“

 

Chris fühlt sich überrumpelt – „und halten Sie es für fair, mich hier mittlerweile knapp 45min zappeln zu lassen?“

 

„35 – und wir lassen Sie nicht zappeln. Das Einzigste, was wir machen, ist, ein faires Angebot von Ihnen zu verlangen – das sollte für jemanden wie Sie doch leicht umsetzbar sein…“

 

Chris kocht – ist es auch – und es heißt das einzige – nicht das Einzigste!

 

Danke, und wie lautet nun der faire Preis?

 

Auch wenn sich gerade vieles in Chris dagegen sträubt, mit diesem Typen ins Geschäft zu kommen – er braucht den Deal, um seinen Jahresbonus zu erreichen und außerdem ist er doch der Klügere – und der gibt ja bekanntlich nach. Er rechnet kurz im Kopf durch – den Rabatt hier, hole ich bei Kunden XY schon wieder rein.

 

Ok, ich gebe 5% als Initial-Discount auf den Tagessatz – dann haben wir einen fairen Preis.

 

Der Einkäufer grinst ein wenig und sagt – gut, dass sehe ich auch so. Meine Arbeit ist dann hier getan – er bedankt sich bei Chris und verabschiedet sich mit den Worten „Den Rest schafft ihr beide ja sicherlich allein – ich muss zum nächsten Termin.“ Dann verlässt er den Raum. Chris und der Experte klären alles weitere ab – Formsache.

 

Als Chris mir zum ersten Mal diese Story im Rahmen unserer Vorbereitung auf unseren ersten gemeinsamen Fall erzählte, wusste ich, dass ich darüber mal in einer Episode sprechen werde. Allerdings wurde dabei auch deutlich, dass er zwar wusste, womit der Einkäufer ihn getriggert hat, jedoch kannte er bis dato kein probates Mittel, um damit klar zu kommen.

 

Der Vorwurf, unfair zu sein oder zu agieren ist hart – zumindest in meiner Wahrnehmung. Dennoch ist Fairness absolut subjektiv! Wenn ich „Papa – das ist unfair“ zu hören bekomme, weil ich gerade bei Mensch ärger dich nicht eine der Figuren meiner kleinen rausgeschmissen habe, dann löst das eher ein schmunzeln bei mir aus. Sprechen wir über Fußball, dann lande ich da schnell in einer Grauzone. Gebe ich meinem Gegenspieler einen leichten Rempler bei einer Ecke, um mir so ein wenig Platz zu verschaffen, dann ist das für mich noch ok. Werde ich allerdings selbst geschubst, dann ist das natürlich was anderes. Prominente Beispiele für Cleverness & Unfairness gibt es, LEIDER, Massenweise. Schwalben, Schubser, Provokationen und Theatralik gehören schon seit längerem zum Profi-Fußball dazu. Inwieweit das Fair ist, darfst Du natürlich selbst beurteilen. Und im Geschäftsleben ist das nicht anders. Nur gibt es da seltener einen Schiedsrichter…

 

Der Vorwurf meiner Tochter – allerdings mit anderer Ansprache – war in geschäftlichen Verhandlungen lange auch für mich sehr hart. Ich reagierte meistens überrascht auf diesen Vorwurf, schließlich hatte ich vorher ausreichend Beziehungsaufbau betrieben. Zumindest dachte ich das…

 

Mich störte das ebenso, wie es Chris störte – also musste ich etwas ändern. Nur was? Die Gespräche mit meinen Mentoren waren nicht soo hilfreich wie erhofft – denn die Ratschläge gingen über „Das kommt mit der Erfahrung“ und „Du musst mehr Vertrauen aufbauen – dann wirft dir das keiner mehr vor“ bis hin zu „dann agierst Du zu offensiv“ oder „taktisch unklug“. Alles sicherlich richtig, jedoch hat es mir den Kern meiner Frage erstmal nicht beantwortet.

 

Bei Chris Voss, einem der, in meinen Augen führenden Verhandlungsexperten, habe ich einen Ratschlag erhalten, der sich für mich mittlerweile als eine Art Königsweg entpuppt hat – und deshalb auch ein fester Bestandteil meiner Verhandlungsführung wurde. Chris definiert sehr früh in seinen Verhandlungen gemeinsam mit seinem Gegenüber die – ich nenne sie mal – Spielregeln für die Verhandlung.

Mit „ich möchte, dass Sie sich zu jederzeit fair behandelt fühlen. Sollten Sie das Gefühl haben, ich sei Ihnen gegenüber unfair, lassen Sie es mich bitte sofort wissen, damit wir dieses Problem dann gemeinsam lösen können.“

legt er eine ganz entscheidende Spielregel fest – und seitdem ich dies auch leicht abgewandelt in den meisten meiner Verhandlungen so mache, habe ich noch kein einziges mal jemanden Gegenüber gehabt, der mir widersprochen hat und gesagt hat – Nein Andreas oder nein Herr Schrader, ich werde es nicht sagen, wenn ich mich unfair behandelt fühle, damit wir das dann lösen können. Der Vorwurf der Unfairness kam übrigens auch nicht mehr, seitdem ich so vorgehe.

 

Das ist demnach auch schon gleichzeitig die Lösung für das – überspitzt gesagt – „Fairness“ Problem. Und mit dieser Vorgehensweise schlägst Du noch 2 zusätzliche Fliegen mit einer Klappe:

Du bestimmst die Regeln – wodurch du nahezu automatisch einen entscheidenden Teil der Macht an dich nimmst

Und Du baust Vertrauen durch Augenhöhe auf – natürlich nur, wenn Du dich an deine Spielregeln hältst – wozu ich dir dringend rate!

 

Die Fragen Ob und inwieweit Du tatsächlich unfair in deinen Verhandlungen vorgehst und was überhaupt unfair ist, bleiben offen. Tatsächlich kannst nur Du diese für Dich selbst beantworten. So ist das nun mal mit der Subjektivität. Was dir, so zumindest meine Erfahrungen – dazu verhilft als Fair wahrgenommen zu werden sind

  • Respekt
  • eine angemessene Höflichkeit
  • Zuverlässigkeit
  • Verbindlichkeit und einer meiner Lieblingspunkte
  • Augenhöhe.

 

Fairness ist nicht verhandelbar! Das Gefühl „fair behandelt zu werden“ ist, gerade in Verhandlungen essenziell – deshalb ist es auch gleichzeitig ein effektiver Trigger bei den meisten deiner Gegenüber. Das hat auch Chris für sich entdeckt, der zum einen fast gar nicht mehr mit Aussagen wie „Machen Sie mir doch mal einen fairen Preis“ konfrontiert wird, zum anderen nutzt er die Fairness Frage häufiger in seinen Verhandlungen – allerdings überwiegend in internen Verhandlungen – darüber gibt es vielleicht bald auch eine eigene Episode.  

 

Was kannst Du also aus dieser Episode für dich mitnehmen?

 

Die Grenze zwischen Unfairness vs. Cleverness ist sehr schmal

Lege Spielregeln fest – halte dich daran

Gebe deinem Gegenüber die Chance, Probleme offen anzusprechen.

Graubereiche sind Ermessenssache

Agiere stets:

  • respektvoll
  • mit einer angemessenen Höflichkeit
  • zuverlässig
  • verbindlich und
  • auf Augenhöhe

und der Vorwurf der Unfairness wird dir deutlich seltener begegnen – und wenn er dennoch kommt, dann weißt Du nun, wie Du mit diesem Vorwurf umgehen kannst.

 

Wenn Du jetzt auch nur einen dieser Punkte mit in deine nächste Verhandlung einbaust, dann wirst Du mit Sicherheit BESSER VERHANDELN.

  

Gefällt Dir was Du hier hörst oder hat es Dir vielleicht sogar schon weitergeholfen? Dann empfehle meinen Podcast doch deinen Freunden und Bekannten, damit auch diese von den Tipps meiner Gäste sowie von meinen Tipps profitieren. Und falls Du diesen Podcast noch nicht abonniert hast – dann wird es jetzt höchste Zeit 😉

 

Ich wünsch dir viel Erfolg bei deinen Verhandlungen.

 

Besten Gruß & bleib gesund

  

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