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Jun 1, 2021

In meiner Sport Bubble laufen gerade wieder Verhandlungen an allen Ecken und Kanten – einige davon konzentrieren sich auf Personalentscheidungen. Was Du von den Verhandlungen rund um die Verpflichtung von Markus Anfang für deine Verhandlungen mitnehmen kannst, das hörst Du jetzt - in dieser Episode des PRM Podcast Besser verhandeln.

 

Wenn Sport bzw. Fussball nicht so deins ist, dann hoffe ich, dass Du dennoch hier mitkommen kannst und ich nicht zu sehr dem Nerd-Talk also der Fachsimpelei verfalle. Ich werde mich bemühen.

 

Kurzer Background: Der SV Werder Bremen ist ein Fussballverein, der in dieser Saison in die 2. Bundesliga abgestiegen ist. Ich finde das schade, da ich mit Werder viele gute Erinnerungen verbinde. Das Saisonfinale 94/95, das letzte Saisonspiel 2001, als Ewerthon uns zum Meister geschossen hat. Die Spiele im Westfalenstadion gegen Bremen, bei denen ich dabei war, waren immer packend. Im April 2016, Aubameyang macht das 1:0, dann 2:1 für Bremen, dann Shinji KAGAWA und knapp 10 min vor Schluss Adrian Ramos. Mein Gott sind wir auf der Süd ausgerastet. Mit Spielern wie Marco Bode, Mario Basler, Kiwi Rufer, bin ich aufgewachsen. Johan Micoud, Frank Baumann, Ivan Klasnic – Rehhagel, Thomas Schaaf – alles Typen, die ich mit einer guten, einer coolen Zeit verbinde.

Genug der Fussball-Romantik. Fakt ist, Bremen hat sich in dieser Saison erstmal aus der Bundesliga verabschiedet und wie es oftmals in einer solchen Situation üblich ist, wird nun Personal gewechselt.

Der Trainer ist ja bekanntlich immer eine der ersten Personalien, die in solchen Fällen genauer angeschaut werden. Florian Kohfeld wurde noch während der Saison beurlaubt, Thomas Schaaf übernahm interimistisch und heute meldet die Quelle, auf die ich mich in dieser Episode ausschließlich beziehen werde, dass Markus Anfang neuer Trainer der Profis des SV Werder Bremen ist.

Nun habe ich mir gerade diesen Fall rausgesucht, da es hier eine Besonderheit gibt, die z.B. auch in den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU genutzt wird.

In chronologischer Reihenfolge:

Am 28.05 schreibt der Kicker «Drei Favoriten: Werder will neuen Trainer «in den nächsten Tagen» präsentieren.» - klassische Überschrift. Das interessante an dem Artikel ist in meinen Augen die Passage, in der Frank Baumann (der Sportchef von Werder Bremen) über den Recrutierungsprozess spricht. Er wird wie folgt zitiert:

«Wir holen uns Referenzen ein, sprechen mit ehemaligen Mitarbeitern, Spielern und Vorgesetzten. Auch ein Sportpsychologe nimmt die Kandidaten unter die Lupe. Mit einem Kommunikationsexperten analysieren wir, wie der Trainer auch in der Öffentlichkeit wirkt",“

Im Recruiting-Prozess für eine medial-wirksame Funktion ist bzw. sollte diese professionelle Vorgehensweise Standard sein. Für deine Verhandlungen kannst Du daraus folgenden Mehrwert ziehen:

Sammle Informationen, erstelle ggfs. ein Profil des Verhandlungsgegenstands (Sry, ich weiß, in dem Beispiel geht es um Menschen, die sind NATÜRLICH NICHT als Verhandlungsgegenstand anzusehen.) doch wenn Du dich daran störst, dann bedenke bitte, dass hier auch Menschen zuhören, die physische Produkte und Dienstleistungen verhandeln – und da passt die Vokabel dann wieder 😉 Deal?

Es werden neben Standard-Informationen auch Eindrücke gesammelt. Da alle Kandidaten diesen Checks unterzogen werden, schafft Werder sich hier «Alternativen», die in Verhandlungen sehr wertvoll sind.

Dann, am 31.05.21 um 09:49 – kurze Meldung:

«Anfang ist Werders Wunschlösung.» - Die Wunschlösung wird offen kommuniziert, die öffentliche Komponente wird einbezogen.

Anfang als Wunschlösung zu bezeichnen, ist aus verhandlungstechnischer Sicht nicht clever, wenn wir auf die Verhandlungen mit Darmstadt schauen. Zwar wird von 3 Optionen gesprochen, dennoch gibt Werder so eine Information raus, die Darmstadt – der Verhandlungspartner und «abgebende Verein» für sich nutzen kann. Schauen wir auf die parallel-laufenden Verhandlungen mit Anfang bzw. seiner Seite, dann ist diese Aussage taktisch clever platziert.  

Baumann wird zudem mit «bis Mittwoch soll in dieser wichtigen Personalie Klarheit herrschen» zitiert. Er baut Zeitdruck auf. Ein zweischneidiges Schwert, denn zum einen vermittelt er «bis zum Zeitpunkt X sind wir verhandlungsbereit» zum anderen lautet die Botschaft «es ist unser Ziel bis dahin ein positives Ergebnis zu erzielen». Ein probates Mittel, wenn Du dieses Spiel beherrschst.

«Werder wäre zwar grundsätzlich bereit, eine Ablöse zu zahlen» (sehr gut – verhandlungsbereitschaft signalisieren!) allerdings nur in überschaubarer Höhe» - auch gut, eingrenzen.

«Eine Millionen wird das definitv nicht sein»  das ist in diesem ein Fehler! Ich spekuliere mal, dass Darmstadt eine Millionen gefordert hat – somit widerholt er den Anker der Gegenseite. Die Millionen ist nun «geframt» also auf dem Tisch. Die Aussage «überschaubare Höhe» war schon sehr gut. Dabei hätte es belassen werden sollen.

 

Am gleichen Tag um 18:57 «Werder erzielt Einigung mit Anfang – Knackpunkt Ablöse»

In anderen Wirtschaftszweigen würde eine ähnliche Meldung «Fachabteilung ist sich mit mit dem Lieferanten einig, Knackpunkt «Einkaufspreis» lauten. Das könnte Dir bekannt vorkommen. Hier ist es wichtig, frühzeitig alle entscheidenden Stellen mit einzubeziehen. Wenn du also im Vertrieb aktiv bist, dann beziehe den Einkauf frühzeitig mit in die Verhandlungen bzw. den Verkaufsprozess ein. Höre dazu gerne nochmal in das Interview mit Frank Poggendorff aus der ersten Staffel an. Er liefert spannende Impulse für diese Art der Verhandlungen.

In diesem Artikel wird der Schwarze Peter nun Darmstadt zugeschoben – zumindest könnte das böswillig zwischen den Zeilen herausgelesen werden. «Wir sind uns einig, nur liegt es am abgebenden Verein» Auch die Wortwahl im Artikel zeigt, welche Seite den Verfasser beeinflusst: «Die Bremer sind nicht bereit, mehr als eine moderate sechsstellige Summe für ihren neuen Coach an einen abgebenden Verein zu überweisen» Sehr gut übrigens: «moderate sechsstellige Summe» die Millionen aus dem anderen Artikel ist somit erstmal vom Tisch. «Noch reicht den Hessen das Werder-Angebot jedoch nicht aus». Dieser Satz ist in meiner Wahrnehmung ein Fingerzeig à là: wir wollen ja, nur die wollen eben nicht…

Fast 4 Stunden später: «Trotz Einigung von Werder und Trainer – Wechsel von Anfang zu Werder Bremen vorerst geplatzt»

Diese Meldung allein liefert schon genug Punkte, für eine einzelne Episode:

Erster Satz «Die Hanseaten hätten eine «absolut marktgerechte Forderung» des SV Darmstadt 98 nicht akzeptiert und nun doch von einer Verpflichtung des Trainers Abstand genommen.»

Im Klartext: Werder hat die Verhandlungen abgebrochen, da Darmstadt zu viel gefordert hat. Hier wäre eine Aussage wie z.B: «wir verlangen keine Millionen, sondern lediglich eine marktgerechte Ablöse» besser für Darmstadt gewesen. Als ich die Vertragsverlängerung von Manuel Neuer analysiert habe, hat er das sehr gut gemacht als er die 5 Jahre Vertragslaufzeit in seinem Dementi nochmal ankerte „Mir ist doch völlig klar, dass es utopisch ist, den Verein auf einen Fünfjahresvertrag, wie er angeblich im Raum steht, festzunageln.“

Das, was weiter beschrieben wird, ist der klassische Abbruch, die Sackgasse in der Verhandlung. Wenn eine Seite nicht darauf vorbereitet ist, dann kann das irritierend wirken. Das Wort «vorerst» in der Schlagzeile ist in diesem Fall extrem gut gewählt.

«Schließlich wollen die doch kaufen und wir sind uns doch auch schon einig. Und jetzt machen die einen Rückzieher?» So lauten Aussagen meiner Kunden, die in eine solche Situation geraten.

Die Schilderung der Vorgehensweise (offensichtlich vor vollendete Tatsachen gestellt) könnte dem ein oder anderen unter euch vielleicht auch bekannt vorkommen. Die Fachabteilung und der Lieferant sind sich einig – dann wird mit dem Einkauf verhandelt, es eskaliert und der Lieferant zieht sein Angebot zurück. Und nun ist kommt die Frage, weshalb wird nicht VERKAUFT?

In anderen Branchen könnte es zudem gut sein, dass dein Chef, sofern Du im Vertrieb tätig bist, fragt, weshalb dieser «sichere Deal, denn mit der Fachabteilung bist Du ja schließlich einig» noch nicht abgewickelt ist: Wenn dann deine Antwort «Weil die nur 200.000 zahlen wollten und das zudem in Raten» lautet hast Du deren Anker wiederholt und die Taktik der Gegenseite geht auf. Wenn deine Seite dass dann auch noch als «Frechheit» aufgreift, dann hat der Anker seine ganze Kraft entfaltet. Die Emotionen wurden geweckt und diese Seite läuft Gefahr, sich von diesen leiten zu lassen. Ein Forced-Error! Zudem gilt es jetzt erstmal die 200.000 sowie die Ratenzahlung vom Tisch zu bekommen.  

Nice Move Werder, zumindest, laut der Berichterstattung.

Kleine Randnotiz: In anderen Branchen lauert in einer solchen Situation noch die Gefahr, dass zur nächsten Verhandlungsrunde die Vertriebsleitung oder wer auch immer die nächst höhere Instanz ist, mitkommt «um es denen zu zeigen» oder «um den Deal einzutüten». Das wäre ein kapitaler Fehler!

 

Heute, am 01.06.21 dann die Meldung: Jetzt doch: Anfang wird Trainer in Bremen»

«…nachdem Darmstadt das erste Bremer Angebot noch abgelehnt hatte und der Wechsel zu platzen drohte. Werder hat sich mit dem SV Darmstadt… auf eine Ablöse im sechsstelligen Bereich geeinigt» ist dort zu lesen. Desweiteren wird Carsten Wehlmann, der sportliche Leiter von Darmstadt mit den Worten «Zwar hätten wir gerne weiterhin mit Markus Anfang zusammengearbeitet, doch wir haben uns dazu entschieden, seinem ausdrücklichen Wechselwunsch zu entsprechen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden“ zitiert. Gute Rhetorik, Herr Wehlmann.

Also: Nachdem Werder die Verhandlungen abgebrochen hat, wurde sich knapp 2 Tage später dann doch geeinigt. „Bestimmte Voraussetzungen“ wurden erfüllt heißt es. Darmstadt war erst irritiert, jetzt zufrieden. So zumindest die mediale Darstellung.

 

Über die Rahmenbedingungen ist nicht viel bekannt und leider auch nicht, wer nach dem Abbruch wieder den Kontakt gesucht hat.

Das darüber nichts bekannt wird, ist auch gut so! Und das Ergebnis erscheint wie eine Lösung, die alle Parteien zufrieden stellt.

Und auch das ist ein sehr gutes, und wertvolles Learning für deine Verhandlungen:

Am Ende sollten alle Seiten wie Sieger aussehen und sich mit dem Ergebnis wohl fühlen.

 

Die Aussagen im Kommentar zur Anfang-Verpflichtung „Im zweiten Anlauf: Werder bekommt gerade noch die Kurve“, zeigen schön auf, wie unterschiedlich die Sichtweisen auf Situationen sein können.

„Und dann holte sich Werder noch eine ziemlich blutige Nase bei den Ablöseverhandlungen der Anfang-Verpflichtung ab; eine erste unzureichende Offerte hatten die Darmstädter rigoros zurückgewiesen.“ Etwas weiter wird noch von „in einem zweiten (Ablöse-)Anlauf“ gesprochen.

Ich sehe die Verhandlung zwischen Werder und Darmstadt anhand dieser Berichterstattung etwas anders. Hier haben zwei Unternehmen auf Augenhöhe miteinander verhandelt. Werder hat professionelle taktische Mittel der Verhandlungsführung genutzt und schlussendlich ein Minimalziel „Die Verpflichtung von Markus Anfang vor Mittwoch“ erreicht. Über die Vorgehensweise Darmstadts wird, Leider aus meiner, zum Glück aus Darmstadts Sicht, nicht so viel bekannt. Auch das zeugt von Professionalität, denn nicht alles gehört medial ausgeschlachtet.

 

Zusammengefasst:

  • Sammle Informationen und erstelle ggfs. Profile über den Verhandlungsgegenstand
  • Schaffe Dir Alternativen
  • Wäge die Konsequenzen deiner Aussagen ab, denn diese zahlen meist auf mehrere Konten ein.
  • Verhandlungsbereitschaft stets betonen
  • Grenzen setzen & gleichzeitig ankern – bitte positiv, und Zahlen nur wiederholen, wenn diese zu deinen Gunsten sind.
  • Anker der Gegenseite als solcher erkennen und maximal zusammengefasst wieder- oder weitergeben
  • Steuere die Informationen und spiele diese über dritte, vermeintlich unabhängige Parteien, um deine Position zu stärken. Bsp. Presse; Social Media.
  • Durch einen taktischen Abbruch kannst Du Druck ausüben und Grenzen aufzeigen
  • Am Ende sollten alle Seiten wie Sieger aussehen und sich mit dem Ergebnis wohl fühlen.

 

Und zu guter letzt noch ein ein Zitat von Markus Anfang, welches in dieser Berichterstattung hervorgehoben auftaucht: „Es darf niemand denken, dass es einfach wird“.

 

Wenn Du jetzt auch nur einen dieser Punkte mit in deine nächste Verhandlung einbaust, dann wirst Du mit Sicherheit: BESSER VERHANDELN.

Gefällt Dir was Du hier hörst oder hat es Dir vielleicht sogar schon weitergeholfen? Dann empfehle meinen Podcast doch deinen Freunden und Bekannten, damit auch diese von den Tipps meiner Gäste sowie von meinen Tipps profitieren. Und falls Du diesen Podcast noch nicht abonniert hast – dann wird es jetzt höchste Zeit 😉

 

Ich wünsch dir viel Erfolg bei deinen Verhandlungen.

 

Besten Gruß & bleib gesund

 

 

 

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Homepage Andreas Schrader

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Kicker Artikel “Drei Favoriten: Werder will neuen Trainer in den nächsten Tagen präsentieren“ vom 28.05.21

Anfang ist Werders Wunschlösung

«Trotz Einigung von Werder und Trainer – Wechsel von Anfang zu Werder Bremen vorerst geplatzt»

Jetzt doch: Anfang wird Trainer in Bremen»

Im zweiten Anlauf: Werder bekommt gerade nochmal die Kurve