Feb 18, 2020
Wie bereits angekündigt, blicke ich für Dich auch mal auf die theoretische Seite der Verhandlungsführung. Aus diesem Grund habe ich in der letzten Episode einen genaueren Blick auf das Harvard-Konzept geworfen. Heute schaue ich auf ein weiteres Konzept, das Schranner-Konzept.
Lass mich allerdings an dieser Stelle noch schnell etwas klarstellen. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich knapp 4 Jahre lang für und mit Matthias Schranner zusammengearbeitet habe und es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass diese Jahre sehr prägend für mich gewesen sind. Naja – wäre ja auch schlimm, wenn nicht…
Worauf ich allerdings direkt hinweisen mag: Mir fehlt es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an der ein oder anderen Stelle an Objektivität, das solltest Du beim zuhören berücksichtigen. Weshalb ich jedoch der Meinung bin, dass neben Harvard nur dieses Konzept es verdient hat hier erwähnt zu werden, habe ich ja bereits in Episode 60 dargestellt.
Wie dem auch sei – wenn Du dich intensiver mit Matthias‘ Vorgehensweise in Verhandlungen auseinandersetzt, dann werden dir einige Dinge, die du schon vom Harvard-Konzept her kennst, wieder begegnen.
Denn auch er hat, wie nahezu alle Coaches, Berater, Trainer usw. das „Rad nicht neu erfunden“, sondern naja „lediglich“ seine eigenen Erfahrungswerte aus seiner Arbeit und seinen Ausbildungen zu seiner eigenen Vorgehensweise geformt. Das allerdings sehr eindrucksvoll und in meinen Augen sehr hilfreich. Wichtig ist ebenfalls noch zu erwähnen, dass er sich mit seiner Vorgehensweise auf 5% der Verhandlungssituationen konzentriert.
Bevor ich auf die eigentlichen Prinzipien, wie sie bei Schranner heißen, eingehe, stelle ich die beiden Konzepte kurz gegenüber:
Es gibt sicherlich mehrere Unterschiede und ich gebe Dir hier auch nur einen kleinen Auszug aus meiner Wahrnehmung.
Einen ersten Unterschied sehe ich schon in der Vorbereitung. Du konzentrierst dich im Rahmen der Vorbereitung gemäß Schranner-Konzept auf dich selbst – also auf die eigene Vorbereitung, die eigenen Ziele, die eigenen Forderungen – was der Gegenseite wichtig ist, spielt vor der Verhandlung „keine“ Rolle, denn deren Sichtweisen, Werte etc. können nur erraten werden. Es wird also dazu geraten, den Gegenüber nicht im Rahmen der Vorbereitung zu analysieren.
Was ich als weiteren kleinen, jedoch feinen Unterschied zwischen Harvard und Schranner ansehe, ist der Umgang mit der „Warum“ Frage, die Harvard im Rahmen der Interessenforschung stellt. In seiner Lehre hat diese Frage keinen Platz, denn sie verursacht Schuldzuweisungen. Daraus entstehen Emotionen, die zu diesem Zeitpunkt nicht geplant sind. Einigkeit herrscht bei dem Ziel, Vertrauen aufzubauen und dadurch eine gute Beziehung zum Gegenüber herzustellen.
Auch beim Punkt „Person und Sache voneinander trennen“ werden laut den Büchern Unterschiede deutlich. Wo das Harvard-Konzept die Sache, also den Verhandlungsgegenstand und die Person, die mit dir verhandelt voneinander trennen mag, trennst Du laut Schranner-Konzept nur das Verhalten von der Person. Die Vorgehensweise des Harvard-Konzepts setzt eine extreme Rationalität voraus. Diese greift das Schranner-Konzept zwar auch auf, jedoch werden auch die Emotionen berücksichtigt.
Der in meinen Augen größte Unterschied, ist der Fokus auf den eigenen Anteil, was ja auch schon bei der Vorbereitung leicht deutlich wurde. Die Aussage „SIE WOLLEN GEWINNEN“ lässt für mich nur mit viel Fantasie Spielraum für den Win-Win Ansatz.
„Play to win“ – diesen Slogan kennst Du vielleicht vom E-Sport Sponsor Logitech G, ist eins der Prinzipien, die das Schranner-Konzept für sich beansprucht. Die Orientierung an US-Sportarten, bei denen es nur einen Gewinner kein Unentschieden gibt, ist hier die gewählte Metapher. Deshalb unterscheiden sich auch die beiden Ansätze bei der Ergebnisfindung.
Das Harvard-Konzept sieht vor, dass das Ergebnis auf objektiven Kriterien basiert. Das Schranner-Konzept hingegen stellt diese Objektivität in Frage, da die persönliche Wahrnehmung z.B. von „richtig oder falsch“ immer mit in die Objektivität einfließt, was die Verhandlung nur unnötig erschwert.
Insgesamt habe ich das Harvard-Konzept immer als sehr theoretisch wahrgenommen, das Schranner-Konzept ist da deutlich praxisorientierter. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand, denn im Gegensatz zu Fisher, Ury und Patton, die, überspitzt dargestellt in Ihrer wunderschönen und namhaften Universität in den USA sitzen und theoretische Konzepte entwickeln, berät Matthias weltweit aktiv Unternehmen – und das spürt man – naja- ich zumindest.
Nun, wie schaut das ganze jetzt Inhaltlich aus?
Matthias hat mehrere gute Bücher geschrieben. Verhandeln im Grenzbereich und Teure Fehler sind in meinen Augen hervorzuheben. Die gehören für mich ebenso zur Basisliteratur wie das Harvard-Konzept. Faule Kompromisse finde ich aus persönlichen Gründen noch erwähnenswert, weil ich in diesem Werk namentlich gewürdigt werde. 😉
Da er in seinem Buch „Das Schranner-Konzept“ seine eigene Vorgehensweise dem Harvard-Konzept selbst gegenüberstellt, greife ich diesen Ball einfach mal auf und beziehe mich überwiegend auf dieses Buch. So laufe ich hoffentlich auch nicht Gefahr, mich auf rechtliches Glatteis zu begeben – wobei ich mir das ohnehin nicht vorstellen kann. Also – Das Schranner-Konzept:
Darin spricht Matthias von 4 Prinzipien
Beim ersten Prinzip – Play to win - welches ich ja schon angesprochen hatte, geht es vorrangig um die Vorbereitung. Die inhaltliche, die aus den 3 Elementen Ziel – Strategie – Taktik besteht und die mentale, bei der das Mindset eine entscheidende Rolle spielt. Dabei werden alle beteiligten Stakeholder betrachtet und die eigene emotionale Einstellung zur Verhandlung und dem damit verbundenen Konflikt, in den Mittelpunkt gestellt.
Prinzip Nr. 2 - Der Einstieg
Dieses Prinzip setzt sich augenscheinlich aus 2 Taktiken zusammen. Gestartet wird mit einer Agenda, die neben den Inhalten auch den Zeitraum vorgibt. Darauf folgt „Put the fish on the table“ – George Kohlriesers Taktik, welche grob zusammengefasst die direkte Ansprache eines bzw. des wichtigsten „Streit“Punktes, darstellt. Der typische Schranner Einstieg startet demnach direkt mit einem Konflikt. Das klingt einfach und, je nachdem wie Du persönlich aufgestellt bist, vielleicht sogar abschreckend. Meiner Meinung nach trifft beides nicht zu! Beim Einstieg spielen gemäß Schranner-Konzept eine positive Grundeinstellung, Lob, die Reduzierung der eigenen Dominanz, sowie das Betonen von Gemeinsamkeiten und dem Vertrauensaufbau (es wird MIT Menschen verhandelt, nicht dagegen) ebenfalls eine entsprechende Rolle. Außerdem gibt es in diesem Prinzip noch einen sehr wichtigen Tipp nebenbei: MACHE NOTIZEN!
Prinzip 3 – Führung
Matthias hat seine ÜBERRASCHUNG 7 „Lieblingstaktiken“ für die erfolgreiche Verhandlungsführung unter diesem Prinzip niedergeschrieben.
Ich orientiere mich für dich der Einfachheit halber jetzt eher am Leitfaden, der zum Ende des Buchs die Punkte nochmal zusammenfasst.
Nun, in meinen Worten ausgedrückt solltest Du laut Schranner-Konzept den Konflikt, den Du beim Einstieg selbst herbeigeführt hast, auch aushalten und nicht zu schnell einzuknicken. Dennoch sollte eine gewissen Kooperationsbereitschaft signalisiert werden. Um dies auch in die Tat umzusetzen, sollten die Grundsätze der Reziprozität berücksichtigt werden. Du sollst zudem auch die Inhalte wiedergeben, um so Vertrauen aufzubauen und die Punkte mit deinen Worten zusammenzufassen.
Den „Druck“ hältst Du hoch, indem Du weitere Forderungen einbringst – schließlich ist es ein Austesten der Grenzen. Auch Einflüsse aus dem NLP finden sich beim Schranner-Konzept wieder – denn beim „Versuchsabschluss“ wird der „what-if frame“ oder „was wäre, wenn“ Rahmen bewusst genutzt, um ein Ergebnis unter der Prämisse das „Hindernis“ aus dem Weg zu räumen, zu simulieren.
Mit der Egon Bahr Taktik werden Meilensteine klassifiziert und in „was ist jetzt, was ist bald, was ist jetzt nicht Lösbar, eingeteilt. Außerdem werden Inhalte betrachtet und durch die Fragen
„Welche Themen der Vergangenheit sind tabu?“
„Welche Themen sind positiv und zukunftsorientiert“?
eingestuft.
Zur weiteren Vorgehensweise zählt hier auch noch gemeinsame Entwicklung von Lösungswegen, Die letzt-genannten Taktiken, die noch genannt werden, dienen vorrangig zum Vertrauensaufbau bzw. zur Identifikation von Vertrauenspersonen auf der Gegenseite. Diese haben mehrere Vorteile, die für das nächste Prinzip wichtig sind.
Das 4. Prinzip - Eskalation
Hier wird es spannend – und dieses Prinzip ist wichtig UND gefährlich!
Die Grundidee, die nach meinem Verständnis bei diesem Konzept durchschimmert, benötigt immer eine spürbare Eskalation in Verhandlungen. Und übertrieben ausgedrückt, stellst Du dich als „das Opfer“ dar, denn der Gegenüber lässt einem ja keinen andere Wahl, als die Verhandlung abzubrechen. Ungeachtet der Tatsache, ob ihr euch geeinigt habt oder nicht - es wird immer Wert daraufgelegt, dem Gegenüber den gefühlten Sieg zu überlassen. Daher wird sowohl dein Dank an deinen Gegenüber als auch eine potenzielle Siegesrede, die dein Gegenüber intern und ggfs. auch extern nutzen kann, entsprechend vorbereitet.
Wenn ihr euch nicht geeinigt habt, dann befindest Du dich in der „Sackgasse“, also hast Du die Verhandlung abgebrochen und es geht aktuell nicht weiter. Matthias zeigt 4 Wege auf, die wieder aus der Sackgasse rausführen.
Die Warnung,
Den Abbruch
Die Wette auf die Zukunft
Das 4 Augen Gespräch
Damit dein Gegenüber derjenige ist, der von sich aus wieder in die Verhandlung einsteigt, benötigst Du ANGST. Seine Angst. Diese sollst du steigern und somit – ich zitiere: „den Preis der Nicht-Einigung hochtreiben“. Die Warnung und der Abbruch steigern diese Angst.
Mit der Wette auf die Zukunft kannst Du wieder in die Verhandlung einsteigen, denn dadurch wird eine Risikoverteilung durchgeführt. Die letzte Möglichkeit ist das 4-Augen Gespräch - von den jeweiligen "Commandern" geführt – dieses Gespräch ist die allerletzte Option, um die Verhandlung noch erfolgreich zu beenden. In diesem Gespräch wird mit offenem Visier verhandelt, der Druck ist enorm hoch und es muss eine Entscheidung herbeigeführt werden.
Also zusammengefasst weißt Du nun, dass das Schranner-Konzept teilweise Inhalte aus dem Harvard-Konzept beinhaltet, sich jedoch an vielen Stellen unterscheidet. Die für mich größten und deutlichsten Unterschiede stellen in meinen Augen der Fokus auf den eigenen Sieg in der Verhandlung sowie der Ansatz direkt mit dem Konflikt einzusteigen dar.
Nun hast Du einen kleinen Überblick über die, in meinen Augen wichtigsten Konzepte, die es aktuell in der Welt der Verhandlungsführung gibt, erhalten. Und ich habe mein eigentliches Ziel für diese Episode erreicht. Was ich aus diesen Konzepten für meinen persönlichen Verhandlungsstil abgeleitet habe, das erfährst Du in den nächsten Episoden, des PRM-Podcast „Besser verhandeln“
Und nun bist Du wieder am Zug:
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Und wenn Du dieses Thema vertiefen möchtest, dann empfehle ich dir an einem meiner „Erstklassig verhandeln“ Workshops teilzunehmen. Die neuen Termine sind gerade veröffentlicht.
Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinen Verhandlungen! Besten Gruß & bis zum nächsten Mal!
Shownotes
Audiobook „Negotiation Matchplan”