Apr 21, 2020
2011 protestierten viele Bayern-Fans mit „Koan Neuer“ doch dieser wurde trotzdem verpflichtet. 9 Jahre später wird wohl kaum einer dieser Fans nochmal so ein Schildchen hochhalten. Gerade wird über die Vertragsverlängerung und die damit verbundenen Verhandlungen berichtet. Und was Du von dem, was bisher an die Öffentlichkeit geraten ist für deine Verhandlungen nutzen kannst, das erfährst du in dieser Episode des PRM Podcast besser verhandeln.
Des deutschen liebstes Kind – so habe ich es zumindest mal gelesen – ist der Fussball – und dieser steht nahezu immer im Rampenlicht – zumindest in der Spitze. Mit Spitze meine ich die Profiligen. Und ich bin mir sicher, dass Du, selbst wenn Du keine Ahnung von Fussball hast oder sogar ein ausgesprochener Gegner dieses Sports bist, dann hast Du den ein oder anderen Namen schon mal irgendwo aufgeschnappt.
Einer dieser Namen ist Manuel Neuer. Ein weiterer Name ist Bayern München. Und um die Verhandlungen zwischen diesen beiden Parteien dreht sich diese Episode. Und um direkt das ein oder andere Feedback in die richtige Richtung zu lenken: Ich bin weder Fan vom FC Bayern, noch von Manuel Neuer.
Betrachten wir mal kurz die Fakten.
Der FC Bayern ist der deutsche Branchenprimus – nicht nur sportlich, sondern auch als Wirtschaftsunternehmen – und das sind ja bekannter Maßen alle, die in der Bundesliga vertreten sind. Auch wenn sich der ein oder andere noch irgendwo e.V. schimpfen mag – unterm Strich sind es wirtschaftende bzw. wirtschaftliche Unternehmen. Um das noch ein wenig einzuordnen: Die Gesamteinnahmen in der Saison 2018/2019 liegen bei 750 Mio Euro – daraus geht ein Jahresüberschuss von 52,5 Mio Euro hervor. So steht es zumindest auf der offiziellen Website des FC Bayern München.
Manuel Neuer hat einen Arbeitsvertrag und ist, simpel ausgedrückt ein Mitarbeiter von Bayern München. Zeitgleich ist er auch eine Art Lieferant, denn seine Dienstleistung ist Teil des Produktes „Fussball“ darauf mag ich jedoch nicht zu sehr eingehen. Seit dem 01.07.2011 ist er beim FC Bayern unter Vertrag. Da ein Vereins- also ein Arbeitsplatzwechsel ein umfassender Prozess ist, wird schon jetzt – über ein Jahr vor Vertragsende – über die weitere Zusammenarbeit verhandelt. Außerdem hat so ein Wechsel natürlich viele verschiedene Konsequenzen. Teamgefüge innerhalb der Mannschaft – also die Qualität des Gesamtproduktes verändert sich. „Nachfolger“ sind zwar bereits geplant bzw. verpflichtet, jedoch ist ein Qualitätsunterschied in der gesamten Betrachtung aktuell nicht von der Hand zu weisen.
Allein das finde ich schon spannend. Wieso? Weil ich sowohl von Vertrieblern als auch von Einkäufern höre – wir können doch jetzt gar nicht verhandeln – der Vertrag läuft doch noch X Jahre, Monate, wir haben doch gute Qualität etc. Hmm – geht scheinbar doch, wobei Stopp: DA IST DAS JA SICHER WAS ANDERES – BEI UNS GEHT DAS DANN LEIDER DOCH NICHT SO EINFACH. Mea culpa
Also Learning #1 – Du kannst immer in Verhandlungen einsteigen. Wie die Erfolgsaussichten sind und ob das zu diesem Zeitpunkt überhaupt sinnvoll ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt!
Fakt ist, dass Neuer und der FC Bayern miteinander verhandeln.
Ende März teilte Thomas Kroth, der Berater von Manuel Neuer, in einem Interview mit dem Kicker, einem, wenn nicht sogar DEM Sportmagazin Nr. in Deutschland, mit, dass man mit dem FC Bayern München im Austausch stehe. Er verwies jedoch darauf, dass es von Neuers Seite aus bekannt sei, dass nur ungerne Zwischenstände mitgeteilt werden. Und daran hielt er sich in diesem Interview auch. Alles wenig überraschend und auch Branchenüblich, wie es so schön heißt.
Schon einen Tag später wurden diese Verhandlungen erneut thematisiert. Als Gesprächspartner auf der Seite des FC Bayern wurde Vorstandsmitglied Oliver Kahn und Sportdirektor Hasan Salihamidzic genannt. Ohne es genau zu wissen, gehe ich an dieser Stelle davon aus, dass Thomas Kroth alleine verhandelt. Ohne Manuel Neuer an seiner Seite.
Das ist in meinen Augen sehr gut und extrem professionell! Und das aus mindestens 2 Gründen:
Außerdem hat er durch sein „Fernbleiben“ immer noch die Möglichkeit, im späteren Verlauf, wenn gefühlt gar nichts mehr geht, mit dem Entscheider der Gegenseite – in meinen Augen ist das KH Rummenigge - ein Gespräch zu führen und die Verhandlungen abzuschließen.
In leichter Anlehnung an die aktuellen Geschehnisse könnte ich auch von Emotional-Distancing sprechen. Mal schauen in wie weit ich das in den allgemeinen Sprachgebrauch etablieren kann 😉
Klar ist also, dass von Neuers Seite aus sehr professionell verhandelt wird. Zumindest soweit ich das von außen bewerten kann. Ich widerspreche damit auch sehr gerne dem T-online.de Vizechefredakteur Florian Wichert, der vom t.online.fussball Account bei Instagramm „Seinen Berater vorzuschieben ist nicht nur eines Kapitäns des FC Bayern und der Nationalelf unwürdig – es ist feige und peinlich.“ preis gab. Gute Schlagzeile, doch das ist weder feige, noch peinlich – das ist professionelle, moderner Verhandlungsführung die auf „GEWINNEN“ ausgerichtet ist.
In dem eingangs erwähnten Artikel im Kicker wurde u.a. geschrieben, dass keine Einigung erzielt wurde, da die Verhandlungen "massiv" stocken. Es geht um Geld und um die Vertragslaufzeit. Bayern bietet 2 Jahre, was Neuer „keinesfalls reiche“ Kroth brachte 5 Jahre ins Gespräch.
Am 13.04.20 war dann im Kicker zu lesen, dass ein Kompromiss weit entfernt sei. Die Verhandlungen ziehen sich hin, die Fronten sind verhärtet. Vokabeln, die in solchen Berichten oft zu hören oder zu lesen sind. Nicht nur im Fussball.
„Die Entscheider des FCB waren eigentlich davon ausgegangen, ein finanzielles Top-Angebot vorgelegt zu haben“ ein schwieriger Satz. Je nachdem, wie wohlwollend man an dieser Stelle sein mag, steht da entweder „Die Entscheider des FCB haben sich nicht richtig vorbereitet, weil Sie ein schwaches Angebot für ein Top-Angebot ansehen“ oder „Wir sind die Guten mit dem Top-Angebot, doch der Böse Manuel mag das einfach nicht einsehen.“
Fakt ist – dieser Satz lädt zur Spekulation ein. Für unterhaltende PR mag das gut sein – in einer Verhandlung ist das in meinen Augen eher ein Armutszeugnis.
Es ist durchaus logisch, dass die Seite Neuers wenig erfreut über die Veröffentlichung der Summe ist. Wobei auch das taktisch gar nicht mal soo unklug ist. Dazu aber später mehr.
Ein weiterer spannender Artikel zu diesem Thema kannst Du in der FAZ finden. Neuer gibt Irritationen zu „Das kenne ich vom FC Bayern nicht“ Allein das Wort „Irritation“ zeugt in dieser Angelegenheit von hoher Professionalität. Es drückt ein Gefühl aus – da kann ihm niemand widersprechen. Die Begründung für den Auslöser dieses Gefühls sind ebenfalls gut positioniert. Er spricht von vertrauensvoller Zusammenarbeit und Wertschätzung und zeigt damit eindeutig klare Kante auf. Und seine Zurückweisung ist ebenfalls stark, denn er ankert selbst im Dementi die 5 Jahre nochmal 😉. Bei seiner, ich nenne Sie mal Zieldefinition, läuft mir fast das Wasser im Munde zusammen:
Was er wolle, sei ein Vertrag, „bei dem der FC Bayern und ich eine Win-win-Situation haben, mit dem alle glücklich sind. Ich will meine Leistung bringen, für die Mannschaft da sein und alles dafür geben, dass wir den maximalen Erfolg haben - mit 100 Prozent Leidenschaft. Dafür müssen die Voraussetzungen stimmen, darum geht es gerade“
Das ist sehr gute Entscheider Rhetorik.
Wir wollen einen Vertrag, bei dem die Gegenseite und wir eine WIN-WIN Situation haben, mit dem alle glücklich sind. Wenn wir unsere Zusammenarbeit so gestalten, werden wir damit den maximalen Erfolg haben. Und damit wir dieses Ziel gemeinsam erreichen können, müssen wir lediglich die winzigen Details klären. Dann geht auch alles ganz schnell.“ Das kann genauso in jeder anderen Verhandlung in anderen Wirtschaftsbereichen genutzt werden. Chapeau Monsieur Neuer! Sie sind sehr gut beraten! Das zeigt sich auch noch in weiteren FAZ Artikeln.
Im weiteren Verlauf ist er voll des Lobes für so ziemlich alle Protagonisten, auf die er im Interview angesprochen wird. Auch das ist höchst professionell.
Ich möchte allerdings auch nochmal auf den Anker eingehen. Der FAZ-Sportkorrespondent in München, Christian Eichler schreibt am 19.04.20 einen Kommentar mit der Überschrift „mit der Bazooka auf Neuer“
„Image und Integrität von Kapitän Neuer geraten durch utopische Gehaltsansage in Gefahr“ lautet der erste Satz in diesem Kommentar.
Diese Reaktion ist genau das, was einen guten Anker ausmacht. Viele scheinen schockiert zu sein – wie kann er nur?!? Ist das sein Ernst? Die 20 Mio. sind erstmal auf dem Tisch, in aller Munde und viel wichtiger – in den Köpfen der Gegenseite. Gleiches gilt für die 5 Jahre, obwohl Neuer diese Forderung bereits relativiert und fast vom Tisch genommen hat. Gewirkt hat es dennoch! Und die Gehaltsforderungen werden sogar noch gefestigt und mit Argumenten untermauert. Vergleiche zu Mitspielern werden von Berater-Seite eingebracht. Das hilft zum einen zu relativieren und um das Bild in der Öffentlichkeit ein wenig gerade zu rücken, zum anderen wird der Fokus auf die Vergleichbarkeit innerhalb des Teams gelegt. Indirekt wird Fairness in den Raum gebracht und mit Ansprüchen, die auf Grund der Funktion auch für viele Außerhalb der Fussballwelt nachvollziehbar erscheinen, erläutert. Es geht um Wertschätzung – und die Maßeinheit dafür ist Euro.
Bleiben wir mal bei der FAZ, denn diese schrieb am 20.04 „Der Fall Neuer und die Suche nach dem Maulwurf“ Dieser Artikel ist so aufgebaut, dass er durchaus als Angriff auf Salihamidzic gewertet werden kann. Dieser kommt in der gesamten Darstellung sehr schlecht weg. Zwar wird indirekt auch noch der Aufsichtsrat ins Auge gefasst, doch bevor dort jemand einen Maulwurf findet, ist Salihamidzic schon dreimal entlassen.
Besonders spannend finde ich in diesem Kommentar übrigens den folgenden Absatz:
„Neuer verdient schon jetzt ein Vermögen. Man hätte ihm die Gelassenheit zutrauen können, damit zufrieden zu sein, sich und anderen mit einer Summe X nichts mehr beweisen zu müssen.
Hmm – journalistisch mag das alles ok sein. Nur ist mir wichtig, dass Du in einer Verhandlung solche Gedankengänge vermeidest! „Die haben doch genug Geld, brauchen sich doch nix mehr beweisen usw.“ ist für mich schon mal generell ein großer Fehler. Denn es ist pure Spekulation.
Dann kommt der 2. spannende Punkt in diesem Absatz:
Doch als Kapitän steht er unter dem Druck, seiner Mannschaft auch in eigener Sache Durchsetzungsvermögen zu zeigen – und sich nicht billiger zu verkaufen als andere, die viel weniger geleistet haben. Es ist die etwas schlichte, vielleicht pubertäre, aber im Profifußball gängige Logik: Das Geld selbst ist egal, es ist eh genug. Aber wie viel es ist, zeigt meinen Wert im Gefüge“
So geht es auch vielen Chefs und deshalb ist es a) wichtig, dass Du bei einer Verhandlung den größt-möglichen Entscheider am Tisch hast, und zeitgleich deinen eigenen Entscheider, sofern es denn über dir noch jemanden gibt, möglichst nicht an den Tisch lässt.
Wieso? Weil dieser Druck und das „vielleicht pubertäre Gehabe“ nicht nur im Profifussball gängige Logik ist. Es ist Eitelkeit und eine Form von Nazismus. Und die wirst Du oft finden, wahrscheinlich sogar bei dir selbst.
Und abschließend mag ich noch eine kurze Meldung ins Auge fassen – und diese stammt aus dem Transferticker des Kicker vom 20.04.20. Die Überschrift lautet „Rummenigge zum Neuer-Poker: Wir wissen, was beide aneinander haben“. Rummenigge äußert sich als Entscheider der Gegenseite wie folgt: „Ich bin überzeugt, dass wir bei einem Spieler wie Manuel Neuer am Ende des Tages auch eine für beide Seiten glückliche Lösung finden werden. Manuel spielt seit fast neun Jahren in München Fußball. Wir haben den weltbesten Torhüter im Tor stehen. Wir haben (mit ihm) alles gewonnen. Ich glaube, wir wissen, was beide aneinander haben". Der Entscheider des FC Bayern zieht nach und das ebenfalls clever, denn er wiederholt keinen Anker.
Dank der medialen Aufbereitung ist das eine sehr spannende Verhandlung und es ist auch schön zu sehen, welche Partei zu welchen Medien einen, nennen wir ihn mal, guten Draht hat. Du kannst in meinen Augen allein schon von den Berichterstattungen über diese Verhandlungen eine Menge für deine eigenen Verhandlungen mitnehmen.
Falls du das anders siehst, dann nimmst Du zumindest was zum Schmunzeln mit, denn allein die Vorstellung, dass Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic in einer Verhandlung Good-Cop Bad Cop „spielen“ finde ich äußerst amüsant. Auch wenn ich das nicht wirklich glaube.
Die ernst gemeinten Learnings aus dieser kurzen, medial geprägten Betrachtung sind folgende:
Baue mindestens eine Sache davon mit in deine nächste Verhandlung ein, und Du wirst mit Sicherheit BESSER VERHANDELN
Kleine Zusatz-Info: Wenn Du aktuell noch nicht genug von Zoom hast, dann schau mal in die Shownotes. Da findest Du den Link zur kostenlosen Live-Training Reihe „Team und Vertrieb digital gestalten“ mit „Souverän verhandeln – IMMER!“ stelle ich einen der 4 Eckpfeiler dieser Reihe dar. Am 24.04.20 um 14h00 geht meine Session los. Den Link zur Anmeldung findest Du entweder auf meinem LinkedIn Profil oder hier in den Shownotes. Logisch 😉 und sollte der 24.04. nicht passen, dann
Shownotes
Kostenlose Video-Training Reihe "Team und Vertrieb digital gestalten
Anmeldung zum kostenlosen Live-Training "Souverän verhandeln - IMMER!" am 24.04.20 um 14h00
Audiobook „Negotiation Matchplan”
Homepage Andreas Schrader
Kicker: „Kompromiss weit entfernt“ Vertragspoker um Neuer
Kicker: Rummenigge Aussage
FAZ: Neuer ist irritiert
FAZ: Mit der Bazooka auf Neuer
FAZ: Wer ist der Maulwurf im Falle Neuer
Instagramm: Florian Wicherts Aussage