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Sep 15, 2021

Heiko, so nenne ich ihn hier einfach mal, ist Mitte/Ende 30 und direkt nach dem Studium direkt in dem Zentraleinkauf eines Konzerns gewechselt. Dort durchlief er verschiedene Stationen incl. einiger Weiterbildungen. Mittlerweile ist er Strategischer Einkäufer – das steht zumindest in seiner Signatur & auf seiner Visitenkarte.

 

An einem Dienstag im Mai hatte er einen Termin mit einem Anbieter. Die Fachabteilung war von dem Angebot bereits überzeugt. Der Leiter der Fachabteilung kam mittags extra noch in Heikos Büro. «Heiko – das Angebot wird unschlagbar sein. Wir MÜSSEN mit denen Zusammenarbeiten. Bitte verärgere die nicht. Das ist extrem wichtig für uns.» waren Sätze, die er in dem Gespräch zu hören bekam. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass Heiko zuletzt einige Deals blockiert hatte, da er sich mit der anderen Seite nicht auf die Konditionen einigen konnte. Intern, so erfuhr ich später, hatte man ihm den Beinamen «Der DEAL-Killer» gegeben. «Keine Sorge – ich werde das schon regeln»

 

Dies im Hinterkopf eröffnete Heiko das Gespräch mit dem Anbieter nach ein wenig Smalltalk mit dem Satz:

 

«Mein Ziel ist es, hier heute eine WIN-WIN Lösung zu generieren. Einen fairen Kompromiss, von dem beide Seiten profitieren.»

 

Als wir diesen Fall im Rahmen seines Coachings durchgesprochen haben, deckten wir viele Fehler auf. Und ein entscheidender Fehler, der Fehler, auf den ich heute besonders eingehen werde, dieser Fehler hängt mit WIN-WIN zusammen.

 

Win-Win = fairer Kompromiss – beide Seiten profitieren.

 

So seine Assoziation – und so hat er Win-Win auch in seinem Kopf verankert – und da ist auch einer der Fehler, den neben Heiko noch sehr viele andere Menschen machen, mit denen ich im Austausch bin.

 

WIN-WIN wird als Kompromiss, oder sogar als fairer Kompromiss angesehen. Im deutschsprachigen Umfeld ist das jedoch ein Trugschluss – und dieser kann bares Geld kosten. Einer, der häufigsten Fehler ist die Annahme, bei Win-Win wäre der Kompromiss, der leider oftmals auch als «Treffen in der Mitte» angesehen wird, das Ziel.

Und das als Ziel ist einfach nicht empfehlenswert.

 

Kleines Side-Learning: Das Wort «fair» ist in Verhandlungen sehr heikel – denn Fair ist subjektiv! Wenn Du mehr dazu erfahren magst, dann empfehle ich Episode 65 des Besser verhandeln Podcast.

 

«Bei einem Kompromiss verlieren beide, denn niemand bekommt, was er tatsächlich will» - so in etwa lautet ein Spruch, den ich irgendwo mal aufgeschnappt habe. Das klingt für mich eher nach Lose-Lose als nach Win-Win.

Nun, meine ausführliche Sichtweise zur Kompromiss-Strategie habe ich ja bereits in Episode 28 zum Besten gegeben – die werde ich hier nun nicht wiederholen.

 

Win-Win ist kein einfacher Kompromiss, sondern echte Arbeit. Zum einen benötigst Du dafür das – ACHTUNG  Buzzword: RICHTIGE MINDSET.

 

Um WIN-WIN zu erreichen, musst Du selbst auf Sieg spielen. Play to Win.

 

Play to win – diesen Spruch habe ich erstmalig bei George Kohlrieser aufgeschnappt. In dem 2012 veröffentlichten Buch «Care to dare/Fördern und Fordern» ist dieser Führungsansatz genauer aufgeschlüsselt. Mein ehemaliger Chef hat diesen Satz auch sehr prominent in seinen Programmen platziert und es sogar als eins seiner Prinzipien mit in sein Konzept aufgenommen. Auch bei meinem letzten Besuch auf der Gamescom 2019 bin ich über diesen Satz gestolpert. Logitech, ein Hersteller von Computer-Zubehör nutzt PLAY TO WIN für seine Pro Series Produkte. Der Satz an sich kann also vielseitig eingesetzt werden.

 

Kohlriesers Ansatz bezieht sich zwar auf die Team-/Menschenführung, lässt sich in meinen Augen jedoch auch sehr gut auf die Verhandlungsführung ableiten. Klar – Du verhandelst ja auch mit Menschen 😉

 

«Challenging yourself and others to see and achieve wahr is beyond normal expactation. – zu Deutsch: Sie fordern sich selbst und andere dazu heraus, etwas zu erreichen, das über die normalen Erwartungen hinausgeht» - so definiert er Play to win.

 

Und genau diese Bereitschaft, diese Einstellung sorgt dafür, dass Du auf Sieg spielst. Also «dein Win» in Win-Win sicherstellst.

 

In Kohlriesers Ansatz spielen auch «die anderen» eine entscheidende Rolle.

 

Heiko sah eine Verhandlung immer als Konflikt an, in dem es um Sieg und Niederlage geht. Seine Gegenüber waren seine Gegner, GEGEN die er gewinnen wollte. Nun – wenn Du hier schon länger zuhörst, dann wird dir nicht entgangen sein, dass ich da einen komplett anderen Ansatz vertrete:

 

Ich benötige «Die andere Seite / Meine Gegenüber» um mein Ziel zu erreichen. Diese Menschen sind meine Verhandlungspartner oder Partnerinnen. Ohne sie erreiche ich mein Ziel garantiert nicht – also suchen wir gemeinsam nach einer Lösung. Und da ich an – Achtung, nächstes Buzzword: NACHHALTIGEN Ergebnissen interessiert bin, sollte die andere Seite auch davon profitieren. WIN-WIN. Und da ist auch schon direkt wieder die Verbindung zum Play to win Ansatz: Ich fordere und fördere mich selbst UND ANDERE – das geht auch in Verhandlungen.

 

Hört sich allerdings einfacher an, als es tatsächlich ist. Denn um andere fordern und fördern zu können, benötigt es noch viele weitere Dinge. Vertrauen (Besser verhandeln - der PRM-Podcast mit Andreas Schrader: Episode 16 - Vertrauen aufbauen & Wie werde ich wahrgenommen? (libsyn.com)) ist dabei sicher eine, wenn nicht sogar die Wichtigste. Und neben der Frage: Kannst Du mir vertrauen, ist die Frage, die Dank Leo Martin in meinem Kopf eingebrannt ist «Worauf kannst Du vertrauen, wenn Du es mit mir zu tun hast» Bestenfalls im Vorfeld schon beantwortet worden.

 

Leider – oder zum Glück – je nachdem, was Du für ein Typ Mensch bist, ist an dieser Stelle jedoch noch ein – naja – Warnhinweis notwendig:

 

Verhandlungspartner wie Heiko einer war, gibt es viele. Diese sind, vereinfacht ausgedrückt – auf die eigene Profitmaximierung aus. Sie verhandeln egoistisch. Good for them – great for me ist für diese Menschen ein Satz, in dem lediglich der 2. Teil zählt.

 

Begegnest Du solchen Menschen in Verhandlungen und versuchst mit einem – ich nenne es mal provokant «naiven Win-Win» Ansatz die Verhandlung zu führen, dann wirst Du mit dem Ergebnis vermutlich nicht glücklich werden. Und wenn sich dir diese Frage stellt, dann befindest Du dich im Negotiators Dilemma, wie es Lax & Sebenius in «The manager as negotiator» bezeichnen. Um dieses Dilemma zu lösen oder es gar nicht erst aufkommen zu lassen, sind einige Schritte wichtig. Kurz und knapp:

Starte kooperativ, nicht zu druckvoll. Doch wenn Dir auffällt, dass diese Kooperation nicht auf Gegenseitigkeit beruht, ist es an der Zeit selbst etwas Druck aufzubauen. Grenzen aufzuzeigen, härter zu verhandeln. Dies zahlt direkt auf mehrere Konten ein: auf den Reputationskonto, auf dein Vertrauenskonto und im entfernten Sinne auch auf das Bankkonto.

 

Du profitierst von dieser Episode, denn du weisst nun:

  • Win-Win ist kein einfacher Kompromiss
  • Play to win – spiele auf Sieg– um WIN-WIN zu erreichen
  • Baue vertrauen auf, denn es eine wichtige Basis für deinen Verhandlungserfolg
  • Achte auf das Negotiators Dilemma und löse es, wenn Du drin bist
  • Starte Kooperativ und bleibe kooperativ, solange dein Verhandlungspartner ebenfalls kooperativ verhandelt.
  • Härte & Druck erhöhst Du erst, wenn der kooperative Ansatz nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
  • Lese Care to Dare & The Manager as negotiator (vielleicht hörst Du vorher meine Buchbesprechung mit Andreas Winheller)

 

Und dies zu wissen allein reicht ja nicht – ist klar. Also finaler Tipp am Ende: Baue mindestens einen dieser Tipps in deine nächste Verhandlung ein und du wirst mit Sicherheit: BESSER VERHANDELN.

 

Ciao und bis bald

 

Dein Andi

 

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